Geschichte
des Synchronschwimmens
Copyright © 2002, Michelle Weder
Erste
Hinweise zum Ursprung des Synchronschwimmens liefert die griechische und
römische Geschichtsschreibung. In bildreicher Sprache beschreibt Martial eine
Vorführung der Antike:
"Ein Nereidenreigen
zeigt in gefälliger Flut einen mit geradem Zahn drohenden Dreizack, einen
Anker. Man sieht ein Schiff, glaubt Ruder zu sehen und des Lakoner Gestirns
willkommenes Licht."
Wie der
Sporthistoriker Erwin Mehl herausfand, fluteten die Römer ihre Amphitheater, um
einer großen Zuschauermenge den Genuß einer solchen Darbietung zu ermöglichen.
Da die Schwimmerinnen nicht bekleidet waren, nahm mit zunehmender Verbreitung
des Christentums die Kritik an solchen Schauschwimmen zu. Im Mittelalter gerieten
sie dann in völlige Vergessenheit.
Zu Beginn des
19. Jahrhunderts wird das Synchronschwimmen in Form des Reigenschwimmens wieder
bekannt. Zu dieser Zeit ein reiner Männersport, dürfen Frauen das
Reigenschwimmen, typischerweise im Bruststil, nur heimlich ausüben. In einer
Zeitschrift aus dem Jahre 1816 schreibt Karl Heinitz:
"Das
schönste Schauspiel ist es für Zuschauer, wenn sie Jünglinge und Männer im
Spiegel des Wassers sich üben und in mannigfaltigsten bildlichen Kunstfiguren
sich gruppieren sehen."
Erste, nach
festen Regeln ablaufende Wettkämpfe finden 1891 in Berlin und 1892 in London
statt, wobei auch hier nur Männer teilnehmen dürfen. Als sich das
Reigenschwimmen aber zum Figurenlegen entwickelt, sind Frauen aufgrund ihrer
günstigeren Gewichtsverteilung im Vorteil. Männer, meist mit untergehenden
Beinen kämpfend, werden daher nach und nach aus dieser Sportart verdrängt.
Zu Beginn des
20. Jahrhunderts werden in England, Kanada, Holland, Deutschland und Frankreich
Meisterschaften im "Scientific and Ornamental Swimming" durchgeführt.
Dabei zeigen die Schwimmerinnen bewegte oder unbewegte Bilder (geometrische
Figuren und Ornamente). Musik dient dabei zur Untermalung und der Bilderwechsel
wird durch Handzeichen am Beckenrand angezeigt.
1907 tritt die
australische Wettkampfschwimmerin Annette Kellerman im New Yorker Hippodrome
als tanzende Meerjungfrau in einem mit Wasser gefüllten Glastank auf. Die
Vorführungen der mehrfachen Meisterin über diverse Lang- und Kurzstrecken sind
sehr beliebt. Bei einem dreimonatigen Engagement in Chicago wird sie zu 55
Shows pro Woche verpflichtet. Drei Jahre später wird die Trendsetterin und
rebellische "unter Wasser Ballerina" in Boston Harbor verhaftet, da
sie in einem freizügigen Einteiler für den damaligen Geschmack zu viel Bein
zeigt. Diese Verhaftung macht sie aber nur noch berühmter, und sie erhält
Engagements in der noch jungen Filmindustrie. In Neptune's
Daughter (1914), A Daughter of the Gods (1916) und Queen of the Sea (1918)
spielt sie die Hauptrolle.
Annette Kellerman
Inspiriert
durch Kellerman gründet Katherine "Kay" Curtis, eine ehemalige
Turmspringerin und Turnerin, 1923 den ersten Wasserballett Club in Chicago. Die
erste grosse Aufführung der "Modern Mermaids" findet 1934 im Rahmen
der Weltausstellung in Chicago statt. 60 Schwimmerinnen nehmen daran teil und
erobern das nationale und internationale Publikum im Sturm. In den Medien wird
erstmals der Begriff "Synchronized Swimming" verwendet. Als der neue
Sport immer beliebter wird, entwickelt Curtis erste Wettkampfregeln, die auf
den Bewertungskriterien basieren, die sie aus der Gymnastik, dem Turmspringen
und dem Eislaufen kennt. 1936 veröffentlicht Curtis das erste Buch zum
Synchronschwimmen unter dem Titel Rythmic Swimming.
Kurze Zeit später kann das
Synchronschwimmen durch die von Billy Rose inszenierte Aquacade an der
Weltausstellung 1939 in New York einen ähnlichen Erfolg feiern. Für das Musical
im Wasser werden über Hundert SchwimmerInnen, TurmspringerInnen und SängerInnen
verpflichtet. Stars der aufwändigen Show mit spektakulären Spezialeffekten sind
die Olympia-Schwimmerin Eleanor Holm und der Olympia-Schwimmer Johnny
Weismuller.
Richtig
bekannt wird diese neue Art zu Schwimmen in den 40er und 50er Jahren durch
Esther Williams. Die dreifache US Meisterin (u.a. über 100 Meter Crawl)
verzaubert in Aufführungen und einer Reihe von kitschig-klassischen MGM
"aqua musicals" ihr Publikum. Die wichtigsten Erfolge feiert sie mit
Bathing Beauty (1944), Neptune's Daughter (1949) und im Film Million Dollar
Mermaid, in welchem sie Annette Kellerman portraitiert. Insgesamt tritt sie in
26 Filmen auf.
In den
folgenden Jahren entwickelt sich das Figurenlegen zum Kunstschwimmen. Das
Kunstschwimmen ist - wie der Name verrät - kunstfertiger als das reine
Figurenlegen. Es wird mehr getaucht und schwierigere Übungen werden ausgeführt.
1945 werden
für das Kunstschwimmen Wettkampfbestimmungen aufgestellt und 1946 findet dann
auch der erste Wettkampf statt. In Bern und Zürich rufen die ersten Vereine in
den 50er Jahren das Kunstschwimmen ins Leben. Im Zuge der weltweiten Umstellung
vom Figurenlegen zum Wettkampfsport, anerkennt die FINA (Fédération Internationale de Natation Amateur)
1968 das Synchronschwimmen offiziell als vierte Sparte neben Wasserball,
Schwimmen und Turmspringen. Der Schweizerische
Schwimmverband tut dasselbe im gleichen Jahr. 1972 werden erstmals
Schweizermeisterschaften durchgeführt. 1973 finden die ersten
Weltmeisterschaften, 1974 die ersten Europameisterschaften statt. An den
olympischen Spielen 1984 in Los Angeles wird das Synchronschwimmen in den
Disziplinen Solo und Duett eingeführt.
Ende der
achziger Jahre vollzieht sich erneut ein Wandel. Die Übungen werden noch
anspruchsvoller, es wird mehr gedreht und geschraubt, die Küren werden immer
schneller und höher, die Arm- und Beinbewegungen immer komplizierter. Das
Kunstschwimmen wird zum Synchronschwimmen.
In Atlanta 1996
wird die Gruppe als olympische Disziplin eingeführt, dafür muss aber wieder auf
die Disziplinen Solo und Duett verzichtet werden. Seit Sydney 2000 sind die
Disziplinen Gruppe und Duett zugelassen.
Um die
Jahrtausendwende verdrängen die Russinnen die bis anhin führenden Nationen USA,
Kanada und Japan. Mit spektakulären Hebefiguren, rasanten und originellen Arm-
und Beinbewegungen und kreativen Formationsverschiebungen und Übergängen setzen
sie einen vor allem im artistischen Bereich revolutionären Trend.
Canada (Sydney 2000)
Olga Brusnikina, Maria
Kisseleva (RUS)
Heute zählen
Russland, Japan, USA und Kanada zu den erfolgreichsten Nationen im
Synchronschwimmen. In Europa sind Frankreich, Spanien und Italien den
nördlichen Ländern voraus. Die Schweiz konnte sich bisher recht gut halten und
an allen Olympiaden, Welt- und Europameisterschaften teilnehmen.
Zu den bisher
erfolgreichsten Sychronschwimmerinnen gehören Carolyn Waldo (CAN) und Tracy
Ruiz (USA) mit je zwei olympischen Goldmedaillen im Solo und Duett und Sylvie
Frechette (CAN) mit zwei olympischen Goldmedaillen im Solo. Erfolgreichste
Schweizer Synchronschwimmerin ist die Buchserin Karin Singer.
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Carolyn Waldo (CAN) |
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Inzwischen
gibt es vereinzelt auch männliche Synchronschwimmer, die seit 1991 an
nationalen Meisterschaften und Länderkämpfen zugelassen sind. Der Start auf
Weltebene ist ihnen allerdings durch FINA-Regelungen noch untersagt.
Bekanntester Vertreter der männlichen Synchronschwimmer ist Bill
May. In der Schweiz gilt Stephane Mischler als bisher erfolgreichster
Synchronschwimmer.
Bill May